Fokusthema: 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel
Von der Digitalisierung bis zum Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft – die professionellen Anforderungen an Fachkräfte in allen Branchen werden sich in den nächsten Jahren enorm verändern. Dabei nehmen Anspruch und Komplexität zu. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, benötigen Organisationen und Individuen ein Set von sogenannten Future Skills.
Wir definieren Future Skills als branchenübergreifende Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenschaften, die in den kommenden fünf Jahren in allen Bereichen des Berufslebens und darüber hinaus wichtiger werden. Der Zeithorizont bis 2026 wurde gewählt, da er lang genug ist, um die Effekte bereits heute absehbarer Entwicklungen realistisch einzubeziehen. Gleichzeitig ist diese Spanne noch kurz genug, um trotz rasanter technologischer Veränderungen belastbare Aussagen zu den Future Skills treffen zu können. Die Future Skills werden sowohl bedingt als auch ergänzt durch spezifisches Wissen und eine entsprechende Werthaltung, also die Bereitschaft zum Handeln. Mit dem Begriff "Kompetenz" fassen wir all diese Attribute zusammen.
Eine erste Version des Future-Skills-Frameworks wurde 2018 vom Stifterverband und McKinsey im Austausch mit Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern erarbeitet. Daraus folgte eine Reihe von wissenschaftlichen Publikationen, die sich dem Thema widmeten. Hochschulen haben sich seitdem verstärkt mit Future Skills beschäftigt und, wie im Falle der Hochschule Mittelhessen, Studiengänge aufgebaut, die sich auf das Future-Skills-Framework beziehen. Auch einige Bundesländer haben das Thema aufgegriffen. Schleswig-Holstein hat beispielsweise ein Weiterbildungsportal etabliert, das auf dem Future-Skills-Framework basiert.
Der rasante Wandel der vergangenen Jahre stellt neue Anforderungen an künftig benötigte Kompetenzen. Die Jahre 2020 und 2021 waren geprägt von großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Der Druck auf Unternehmen, in gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen zu denken und zu operieren sowie die Welt von morgen interdisziplinär zu gestalten, ist stark gestiegen. Dies schlägt sich auch in dem Future-Skills-Framework 2021 nieder: Unternehmen fordern von ihren Beschäftigten deutlich mehr transformative Kompetenzen. Das aktualisierte Framework umfasst nun 21 Kompetenzen in vier Kategorien. Dieses Framework spiegelt die Sicht deutscher Unternehmen und Behörden des öffentlichen Sektors wider und wurde in einer Umfrage unter 500 Unternehmen und Behörden bestätigt.
Gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie der Klimawandel sowie ökologische und globale Krisen machen einen gesellschaftlichen wie industriellen Transformationsprozess unabdingbar. Da diese Herausforderungen alle Bereiche unseres Lebens beeinflussen, muss die Transformation ebenfalls branchen-, disziplin- und technologieübergreifend stattfinden und von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft angetrieben werden. Dabei sind sowohl Top-down- (zum Beispiel Regularien und Gesetze) als auch Bottom-up-Maßnahmen nötig (Ergreifen der Initiative und Veränderungswille einer Einzelperson). Mit der zusätzlichen Kategorie der transformativen Kompetenzen in unserem Future-Skills-Framework 2021 beschreiben wir genau jene Kompetenzen, die es braucht, um diese Bottom-up-Transformationsprozesse in Gang zu setzen.
Transformative Kompetenzen ermöglichen Menschen, sich gesellschaftlicher Herausforderungen bewusst zu werden, visionäre Lösungen zu entwerfen und den Mut zu haben, andere von diesen zu überzeugen. So müssen zunächst gesellschaftliche Herausforderungen unter Berücksichtigung der Qualitätsunterschiede verschiedener Informationsquellen beurteilt werden (Urteilsfähigkeit). Um das Bewusstsein und Wissen um diese Herausforderungen in Handlungen überführen zu können, bedarf es zum einen der Fähigkeit, Veränderungsziele entwickeln zu können (Veränderungsfähigkeit), zum anderen der Kompetenz, Innovationen zu generieren, die den Status quo infrage stellen (Innovationskompetenz). Um diese Lösungen effektiv erarbeiten und schließlich auch vermitteln zu können, muss man zum einen in der Lage sein, widersprüchliche Perspektiven zu verstehen und Dilemmata auszugleichen (Dialog- und Konfliktfähigkeit). Zum anderen müssen andere Menschen von diesen Lösungen überzeugt werden können. Nur so können eine Vision von einer neuen Zukunft und eine gemeinsame Werteorientierung geschaffen werden. Hier steht die Fähigkeit, ein Missionsnarrativ schaffen und andere inspirieren zu können, im Fokus (Missionsorientierung).
Die hier vorgestellten transformativen Kompetenzen wurden im Austausch mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie im Kontext internationaler transformativer Wissensressourcen erarbeitet. Dazu gehören die 17 Sustainable Development Goals der UN (UN DESA 2021), die drei transformativen Kompetenzen im Lernkompass der OECD (2021), die Global Skills Taxonomy des World Economic Forums (2021), die digitalen Skills aus der Initiative D21 (2021), die Kompetenzen für die Arbeitswelt 4.0 der Bundesagentur für Arbeit (2020), verschiedene Change-Management-Modelle sowie Meinungen von Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Bildung.
Die sich schnell verändernde Arbeitswelt verbunden mit großen sozialen und ökologischen Herausforderungen verlangt von Unternehmen eine stetige Bewertung der in ihren Organisationen benötigten Kompetenzen. Hierzu müssen Unternehmen, die für sie besonders relevanten Future Skills identifizieren, mit den vorhandenen Kompetenzen abgleichen und die Schließung möglicher Kompetenzlücken strategisch angehen. Dies betrifft vor allem drei Bereiche: Qualifizierung, Rekrutierung und Neuorientierung für neue Situationen.
Unsere Handlungsempfehlungen helfen Unternehmen, die Aus- und Weiterbildung von Future Skills noch stärker als bisher in den Fokus zu stellen.
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