Future Skills 2021

Fokusthema: 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel

  • Ob Digitalisierung, Klimawandel oder Covid-19-Pandemie: Beschäftigte benötigen mehr denn je zukunftsweisende Kompetenzen, sogenannte Future Skills.
  • Unternehmen und Behörden bestätigen die Wichtigkeit transformativer Kompetenzen, besonders bedeutend sind: Dialog- und Konfliktfähigkeit sowie Urteilsfähigkeit.
  • Auch digitale Schlüsselkompetenzen (zum Beispiel Digital Literacy) und klassische Kompetenzen (zum Beispiel Lösungsfähigkeit) bleiben enorm wichtig.
  • Das aktualisierte Framework 2021 identifiziert 21 Future Skills in den vier Kategorien Klassische Kompetenzen, Digitale Schlüsselkompetenzen, Technologische Kompetenzen und neu: Transformative Kompetenzen.

Warum wir Future Skills brauchen

Von der Digitalisierung bis zum Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft – die professionellen Anforderungen an Fachkräfte in allen Branchen werden sich in den nächsten Jahren enorm verändern. Dabei nehmen Anspruch und Komplexität zu. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, benötigen Organisationen und Individuen ein Set von sogenannten Future Skills.

Wir definieren Future Skills als branchenübergreifende Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenschaften, die in den kommenden fünf Jahren in allen Bereichen des Berufslebens und darüber hinaus wichtiger werden. Der Zeithorizont bis 2026 wurde gewählt, da er lang genug ist, um die Effekte bereits heute absehbarer Entwicklungen realistisch einzubeziehen. Gleichzeitig ist diese Spanne noch kurz genug, um trotz rasanter technologischer Veränderungen belastbare Aussagen zu den Future Skills treffen zu können. Die Future Skills werden sowohl bedingt als auch ergänzt durch spezifisches Wissen und eine entsprechende Werthaltung, also die Bereitschaft zum Handeln. Mit dem Begriff "Kompetenz" fassen wir all diese Attribute zusammen.

Eine erste Version des Future-Skills-Frameworks wurde 2018 vom Stifterverband und McKinsey im Austausch mit Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern erarbeitet. Daraus folgte eine Reihe von wissenschaftlichen Publikationen, die sich dem Thema widmeten. Hochschulen haben sich seitdem verstärkt mit Future Skills beschäftigt und, wie im Falle der Hochschule Mittelhessen, Studiengänge aufgebaut, die sich auf das Future-Skills-Framework beziehen. Auch einige Bundesländer haben das Thema aufgegriffen. Schleswig-Holstein hat beispielsweise ein Weiterbildungsportal etabliert, das auf dem Future-Skills-Framework basiert.

 

Die vier Kategorien der Future Skills

Future Skills 2021 – 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel

Der rasante Wandel der vergangenen Jahre stellt neue Anforderungen an künftig benötigte Kompetenzen. Die Jahre 2020 und 2021 waren geprägt von großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Der Druck auf Unternehmen, in gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen zu denken und zu operieren sowie die Welt von morgen interdisziplinär zu gestalten, ist stark gestiegen. Dies schlägt sich auch in dem Future-Skills-Framework 2021 nieder: Unternehmen fordern von ihren Beschäftigten deutlich mehr transformative Kompetenzen. Das aktualisierte Framework umfasst nun 21 Kompetenzen in vier Kategorien. Dieses Framework spiegelt die Sicht deutscher Unternehmen und Behörden des öffentlichen Sektors wider und wurde in einer Umfrage unter 500 Unternehmen und Behörden bestätigt.

  • Technologische Kompetenzen umfassen jene Kompetenzen, die vor allem für die Gestaltung und effiziente Nutzung von Technologien wichtig sind. Dazu zählen etablierte Technologien, die Kompetenzen wie Softwareentwicklung voraussetzen, sowie Neuentwicklungen, welche zum Beispiel Kenntnisse in Data Analytics und künstlicher Intelligenz (KI) benötigen. Dabei werden technologische Kompetenzen hauptsächlich von Tech-Spezialisten ausgeführt. Sie verfügen über das neueste Fachwissen und können es zielgerichtet anwenden.
  • Digitale Schlüsselkompetenzen als zweite Kategorie beschreiben Kompetenzen, durch die Menschen in der Lage sind, sich in einer digitalisierten Umwelt zurechtzufinden und aktiv an ihr teilzunehmen. Besonders die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig diese Kompetenzen für das Berufsleben und die gesellschaftliche Teilhabe geworden sind, zum Beispiel für das digitale Homeoffice.
  • Klassische Kompetenzen bilden die dritte Kategorie und zählen zu den nichtdigitalen Schlüsselkompetenzen. Diese Kompetenzen stellen den Grundbaustein für den Berufserfolg des Einzelnen, aber auch den Erfolg von Organisationen dar. Hierzu gehören grundlegende Kompetenzen wie Lösungsfähigkeit und Resilienz.
  • Transformative Kompetenzen: Diese ebenfalls nichtdigitalen Schlüsselkompetenzen stellen eine neue Kategorie Skills dar. Sie sind zentral, um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit wie zum Beispiel den Klimawandel oder die Covid-19-Krise angehen und lösen zu können. Im Zentrum stehen dabei Kompetenzen wie Missionsorientierung und Innovationskompetenz, die helfen, viele Menschen hinter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen und so gänzlich neue Kräfte zu entfesseln.

Transformative Kompetenzen: Lösungen für die Herausforderungen von morgen

Gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie der Klimawandel sowie ökologische und globale Krisen machen einen gesellschaftlichen wie industriellen Transformationsprozess unabdingbar. Da diese Herausforderungen alle Bereiche unseres Lebens beeinflussen, muss die Transformation ebenfalls branchen-, disziplin- und technologieübergreifend stattfinden und von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft angetrieben werden. Dabei sind sowohl Top-down- (zum Beispiel Regularien und Gesetze) als auch Bottom-up-Maßnahmen nötig (Ergreifen der Initiative und Veränderungswille einer Einzelperson). Mit der zusätzlichen Kategorie der transformativen Kompetenzen in unserem Future-Skills-Framework 2021 beschreiben wir genau jene Kompetenzen, die es braucht, um diese Bottom-up-Transformationsprozesse in Gang zu setzen.

Transformative Kompetenzen ermöglichen Menschen, sich gesellschaftlicher Herausforderungen bewusst zu werden, visionäre Lösungen zu entwerfen und den Mut zu haben, andere von diesen zu überzeugen. So müssen zunächst gesellschaftliche Herausforderungen unter Berücksichtigung der Qualitätsunterschiede verschiedener Informationsquellen beurteilt werden (Urteilsfähigkeit). Um das Bewusstsein und Wissen um diese Herausforderungen in Handlungen überführen zu können, bedarf es zum einen der Fähigkeit, Veränderungsziele entwickeln zu können (Veränderungsfähigkeit), zum anderen der Kompetenz, Innovationen zu generieren, die den Status quo infrage stellen (Innovationskompetenz). Um diese Lösungen effektiv erarbeiten und schließlich auch vermitteln zu können, muss man zum einen in der Lage sein, widersprüchliche Perspektiven zu verstehen und Dilemmata auszugleichen (Dialog- und Konfliktfähigkeit). Zum anderen müssen andere Menschen von diesen Lösungen überzeugt werden können. Nur so können eine Vision von einer neuen Zukunft und eine gemeinsame Werteorientierung geschaffen werden. Hier steht die Fähigkeit, ein Missionsnarrativ schaffen und andere inspirieren zu können, im Fokus (Missionsorientierung).

Die hier vorgestellten transformativen Kompetenzen wurden im Austausch mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft sowie im Kontext internationaler transformativer  Wissensressourcen erarbeitet. Dazu gehören die 17 Sustainable Development Goals der UN (UN DESA 2021), die drei transformativen Kompetenzen im Lernkompass der OECD (2021), die Global Skills Taxonomy des World Economic Forums (2021), die digitalen Skills aus der Initiative D21 (2021), die Kompetenzen für die Arbeitswelt 4.0 der Bundesagentur für Arbeit (2020), verschiedene Change-Management-Modelle sowie Meinungen von Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Bildung.

 

Handlungsempfehlungen

Die sich schnell verändernde Arbeitswelt verbunden mit großen sozialen und ökologischen Herausforderungen verlangt von Unternehmen eine stetige Bewertung der in ihren Organisationen benötigten Kompetenzen. Hierzu müssen Unternehmen, die für sie besonders relevanten Future Skills identifizieren, mit den vorhandenen Kompetenzen abgleichen und die Schließung möglicher Kompetenzlücken strategisch angehen. Dies betrifft vor allem drei Bereiche: Qualifizierung, Rekrutierung und Neuorientierung für neue Situationen.

Unsere Handlungsempfehlungen helfen Unternehmen, die Aus- und Weiterbildung von Future Skills noch stärker als bisher in den Fokus zu stellen.

  • Kompetenzbedarfsplanung innerhalb von Unternehmen und in Unternehmensverbänden
    Arbeitgeber müssen in einem strukturierten Verfahren und an ihrer Unternehmensstrategie orientiert Bestand und Bedarf an Future Skills bei ihren Beschäftigten erheben und Lösungen zum Füllen möglicher Lücken entwickeln. Dem Thema Qualifizierung kommt dabei eine Schlüsselrolle für die Zukunft zu. Zusätzlich müssen Politik und Unternehmensverbände Formate für den Fachkräftedialog zur realistischen Einschätzung des tatsächlichen Skill-Bedarfs fördern und den Fachkräftemangel gezielt angehen. Programme, die Wirtschaft, Behörden und Hochschulen miteinander vernetzen und eine Diskussionsplattform mit anderen Akteuren im Bildungssystem schaffen, werden dem Fachkräftemangel fundiert entgegenwirken.
     
  • Kooperationen zwischen Unternehmen, Hochschulen und EdTechs stärken
    Tauschen sich Unternehmen in puncto Kompetenzen enger untereinander, aber auch mit Hochschulen und privaten Bildungsanbietern aus, so erhalten alle Akteure ein umfassenderes Bild über den existierenden Future-Skills-Bedarf. Dieser kann dann zielgenauer durch Weiterbildungsmaßnahmen gedeckt werden. Gerade bei neuen technologischen Kompetenzen bieten sich Kooperationsplattformen mehrerer Hochschulen an. Es sollte ein Netzwerk an Dienstleistern aufgebaut werden statt der Eigenentwicklung sämtlicher Inhalte durch jedes einzelne Unternehmen. Durch die Kooperation mit Hochschulen, EdTechs und weiteren Akteuren kann so ein Ökosystem für die Weiterbildung aufgebaut werden. Ein Beispiel einer solchen Plattform ist das Volkswagen Bildungsinstitut Zwickau, welches nicht nur für die Weiterbildung innerhalb Volkswagen genutzt wird, sondern auch Mitbewerbern zur Verfügung steht und somit branchenintern das Wissen geteilt wird für die Transformation der Industrie. Dabei sollten auch vermehrt transformative Kompetenzen gefördert werden. Unternehmen müssen sich mit dem Ziel organisieren (zum Beispiel in Verbänden oder durch die Gründung von Instituten), transformative Kompetenzen als Teil von großflächigen Upskilling-Kampagnen zu vermitteln. Es gilt, möglichst viele Beschäftigte in kürzester Zeit für die Herausforderungen von morgen zu wappnen.

SCHRITTE IN DIE RICHTIGE RICHTUNG

  • AgenturQ: Die AgenturQ ist ein Zusammenschluss der beiden Tarifvertragsparteien IG Metall Baden-Württemberg und Südwestmetall. Sie kümmert sich um die Stärkung des Bewusstseins für die Wichtigkeit von beruflicher Bildung in Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg. Durch Informations- und Beratungsangebote setzt sich die gemeinschaftliche Einrichtung für diesen Zweck ein.
  • KI-Campus: In Kooperation mit mehreren Hochschulen stellt der Stifterverband mit dem KI-Campus seit 2020 eine digitale Lernplattform zur Verfügung, die zukunftsweisende neue Technologien wie KI vermittelt.
  • Future-Skills-Studie im Koalitionsvertrag für das Land Baden-Württemberg: Im Mai 2021 legten die Regierungsparteien des Landes Baden-Württemberg in ihrem Koalitionsvertrag fest, mithilfe einer landesweiten Future-Skills-Studie Kompetenzbedarfe zu erheben und entsprechende Weiterbildungsbausteine zu entwickeln. Diese Studie wurde im Oktober 2021 vorgestellt und zeigt auf Basis der Analyse von über einer Million Stellenausschreibungen und der Befragung von 245 Unternehmen detailliert die Bedarfe der vier Schlüsselindustrien in Baden-Württemberg: Automobil- und Zulieferindustrie, Maschinenbau, Metallindustrie und Medizintechnik.
Nicola Leibinger-Kammüller (Foto: Trumpf Group)
Foto: Trumpf Group

Einfach nur ein guter Ingenieur oder ein guter Kaufmann zu sein, reicht heute nicht mehr aus

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Interview im MERTON-Magazin

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 ist eine Initiative von