Empfehlungen

Hochschulen stehen vor der Herausforderung, ihren Studierenden fachliche, berufsorientierte und persönlichkeitsbildende Kompetenzen zu vermitteln. Für die Arbeitswelt 4.0 müssen alle drei Kompetenzbereiche für jedes Fach neu durchdacht werden. 

In allen Kompetenzbereichen spielen digitale Fähigkeiten als Querschnittskompetenzen in Zukunft eine entscheidende Rolle. Unternehmen und andere Bildungspartner müssen in Zukunft eine größere Verantwortung für Hochschulbildung übernehmen und zusammen mit Hochschulen Lehr- beziehungsweise Lernnetze aufbauen. Die Politik ist gefordert, diesen institutionellen Wandel zu unterstützen, indem sie hemmende Regelungen abbaut und neue Anreizsysteme etabliert.

Empfehlungen an Hochschulen

1. Das Kompetenzportfolio neu denken: Fachliche Grundlagenkompetenzen sollten in Zukunft den inhaltlichen Schwerpunkt von Bachelorstudiengängen bilden, spezialisiertes Fachwissen sollte exemplarisch vermittelt werden. Digitale Fachkompetenzen sollten neu in die Curricula aufgenommen werden und praxisorientierte und persönlichkeitsbildende Kompetenzen eine größere Rolle in der zukünftigen Hochschulbildung spielen. Ebenso wie persönliche und praxisorientierte Digitalkompetenzen sollten sie zukünftig nicht additiv, sondern integriert vermittelt werden. Neue, auch digitale Lehr- und Lernformate tragen unterdessen zum Kompetenzaufbau ebenso bei wie Formate des forschenden Lernens.

2. Studiengänge individualisieren und Kompetenzcoaching aufbauen: Studiengänge sollten den Studierenden in Zukunft mehr Raum bieten, sich einen Teil des Studiums nach eigenen Zielsetzungen, persönlichen Interessen und individuellen Voraussetzungen modular zusammenzustellen. Dadurch wird verschiedenen Studierendengruppen (berufsbegleitend Studierenden, Studierenden mit hohem Orientierungsbedarf, Studierenden ohne Abitur, ausländische Studierenden etc.) ein passgenaues Studium ermöglicht. Um den Studierenden bei der Auswahl Orientierung zu geben, sollten Hochschulen ein studienbegleitendes Kompetenzcoaching etablieren, das bereits beim Übergang in die Hochschule ansetzt.

3. Lernorte ausdifferenzieren und Lehr-/Lernnetze aufbauen: Um die ganze Bandbreite der Kompetenzen vermitteln zu können, sollten Hochschulen zukünftig Bildungspartner aus Wirtschaft und Wissenschaft gewinnen und deren Bildungsangebote in ihre Studiengänge integrieren. Sie verankern damit vermehrt einerseits Praxisbezüge und Berufsorientierung im Studium, andererseits erweitern sie ihre Studiengänge damit um Module, die sie selbst nicht anbieten können oder wollen. Eine stärkere Verzahnung von beruflicher und akademischer Bildung wird angestrebt. Bildungspartner sind vor allem Unternehmen und andere Hochschulen, beispielsweise private, ausländische, Fern- oder regionale Partnerhochschulen.

4. Institutionellen Wandel vorantreiben und Digitalkompetenzen aufbauen: Mit der Neuausrichtung der Hochschullehre gewinnen strategische Prozesse an Bedeutung, die einen institutionellen Wandel begleiten. Hochschulen definieren in Zukunft, welchen Teil der Hochschulbildung sie übernehmen möchten, welches Profil sie dafür benötigen und welches Personal. Sie sollten ihr hochschulweites Lehrprofil in einer Lehrverfassung festhalten. Dafür müssen sie ihre Lehrenden stärker fortbilden, um digitale Kompetenzen und neue Lehrformate zu fördern. Teil von Berufungsverfahren sollte die Prüfung vorhandener digitaler Kompetenzen sein.

Empfehlungen an Unternehmen und andere Bildungspartner

5. Unternehmen zu Lernorten entwickeln: Unternehmen sollten sich zu Lernorten entwickeln, die sowohl zur beruflichen als auch zur akademischen Bildung beitragen können. Dazu gehört die Etablierung einer Kultur des Lernens innerhalb des Unternehmens ebenso wie der Aufbau konkreter Programme für die Beteiligung an akademischer Bildung. Dies umfasst auch die Mobilisierung von mehr personellen, infrastrukturellen und finanziellen Ressourcen für Bildung, von denen jetzige und zukünftige Mitarbeiter profitieren können.

6. Berufliche Bildung mit akademischer Bildung verschränken: Auch um die Attraktivität der beruflichen Bildung zu steigern, steht eine stärkere Verzahnung von akademischer und beruflicher Bildung an. Die berufliche Bildung sollte stärker modularisiert werden. Dies würde es ermöglichen, verzahnte Angebote beispielsweise in der Studien- und Ausbildungseingangsphase zu etablieren und Studienabbrechern den Übergang ins Berufsbildungssystem zu erleichtern.

Empfehlungen an die Politik

7. Regelungen auf ihre Eignung für das Bildungssystem 4.0 überprüfen: Einige bestehende Regelungen wie die Lehrdeputatsregelungen erschweren die Einführung neuer Lehrformate. Regelungen für Lehrdeputate sollten in Zukunft die Besonderheiten von Onlinekursen und Weiterbildungsseminaren berücksichtigen.

8. Anreizsysteme in der Lehre schaffen: Die Lehre an Hochschulen steht vor großen Herausforderungen, die einen institutionellen Wandel notwendig machen. Die Politik sollte diesen Wandel unterstützen, beispielsweise durch Anreize für eine weitere institutionelle Ausdifferenzierung und Profilbildung, für innovative Lehrformen und für eine räumliche und zeitliche Differenzierung der Studienangebote.

9. Digitale Infrastruktur ausbauen: Um kreative und kollaborative digitale Angebote aufzubauen, benötigen Hochschulen eine entsprechende digitale Infrastruktur. Die Politik sollte den Auf- und Ausbau einer solchen Struktur finanziell und administrativ besser fördern. Ziel ist die Entwicklung einer hochschulübergreifenden, kompatiblen Infrastruktur zur besseren Zusammenarbeit verschiedener Bildungsanbieter.

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 ist eine Initiative von