Stifterverband und McKinsey beobachten mit dem Hochschul-Bildungs-Report die Entwicklung des deutschen Hochschulsystems in der Dekade 2010 bis 2020. Für die ersten fünf Jahre liegen nun die statistischen Zahlen vor, und eine Halbzeitbilanz ist möglich.
Der Hochschul-Bildungs-Index zeigt, dass sich das deutsche Bildungssystem grundsätzlich in die richtige Richtung entwickelt. Es wird internationaler, gerechter, durchlässiger und heterogener. Der Index zeigt jedoch auch: Der Wandel hin zu einem digitalen, flexiblen und berufsorientierten System ist noch lange nicht geschafft. Schwerpunkte sollten auf den Ausbau von Fähigkeiten und Kenntnissen im Umgang mit digitalen Technologien, der Förderung von Auslandsmobilität und Weiterbildung, der Verbesserung der Praxisorientierung im Studium sowie der gezielteren Unterstützung von Frauen, Nichtakademikerkindern und Flüchtlingen liegen. Bund, Länder und Hochschulen sollten – auch in Kooperation mit Unternehmen – in den kommenden vier Jahren vor allem die folgenden acht Ziele in der Hochschulbildung verfolgen.
Derzeit beträgt der Anteil der Lehramtsstudierenden, die Informatik als erstes, zweites oder drittes Studienfach belegen, nur 1,6 Prozent an allen Lehramtsstudierenden. Für die Einführung eines Wahlfaches Informatik und Programmieren in Sekundarstufe I und II wären 4.000 zusätzliche Informatiklehrer nötig. Für die Einführung eines Pflichtfaches Informatik von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II nach britischem Modell wären es sogar rund 24.000.
Gemessen an Vorreitern wie den USA haben sich deutsche Hochschulen bislang nur langsam auf dem Themenfeld Big Data bewegt. An der Columbia University in New York wurde beispielsweise bereits 2012 das interdisziplinäre Data Science Institut ins Leben gerufen, das allen Studierenden der Hochschule grundlegende Datenkenntnisse vermittelt. In Deutschland hingegen gab es Anfang 2017 lediglich 23 Studiengänge mit einer expliziten Spezialisierung auf Big Data und Advanced Analytics.
Die Mobilitätsquoten deutscher Studierender sind zwar im europäischen Vergleich hoch, dennoch sollten sie insbesondere bei den immobileren Studierendengruppen, unter anderem Erstakademikern, Lehramtsstudierenden und MINT-Studierenden, erhöht werden.
Trotz vielfältiger Förderprogramme von Bund und Ländern ist Deutschland im Bereich der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens an Hochschulen im internationalen Vergleich immer noch eher Nachzügler als Vorreiter.
Die Integration von Anwendungs- und Praxisbezügen in die Lehre hat sich aus Sicht der Studierenden in den vergangenen Jahren nicht verbessert, sondern insbesondere an Universitäten in einigen Aspekten sogar verschlechtert. Nur jeder dritte Studierende an Universitäten ist mit der Vermittlung von Praxiswissen
zufrieden, an Fachhochschulen ist es jeder zweite.
Die Chancengerechtigkeit des deutschen Hochschulsystems hat sich insgesamt in den vergangenen Jahren nur langsam verbessert. Eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben bereits nur etwa halb so viele Nichtakademiker- wie Akademikerkinder. Danach hört die soziale Selektion nicht auf, wie unsere Analysen zeigen: Nur acht von 100 Nichtakademikerkindern erwerben den Master gegenüber 45 Kindern aus Akademikerhaushalten. Jedes zehnte Akademikerkind, aber nur jedes 100. Arbeiterkind erwirbt den Doktorgrad.
Das Gesamtpotenzial von Flüchtlingen, die in dem Jahr 2020 an deutschen Hochschulen studieren könnten, liegt nach Berechnungen von Stifterverband und McKinsey bei 80.000 bis 110.000 Flüchtlingen. Allerdings können fehlende Sprachkenntnisse, gesundheitliche Probleme und finanzielle Hürden die Aufnahme eines Studiums verhindern, sodass nicht das gesamte Bildungspotenzial genutzt werden kann. Werden diese Hinderungsfaktoren nicht ausreichend adressiert, werden in dem Jahr 2020 nur zwischen 32.000 und 40.000 Flüchtlinge an einer deutschen Hochschule eingeschrieben sein.
Frauen sind bis zum Studienabschluss überproportional erfolgreich. Im späteren Berufsleben schaffen sie es jedoch deutlich seltener als Männer, Führungspositionen einzunehmen. Vor allem Unternehmen stehen in der Pflicht, Frauen ihren Fähigkeiten entsprechend zu fördern. Aber auch Hochschulen können eine Schlüsselrolle spielen, um Frauen besser auf Karrieren in Wirtschaft (und Wissenschaft) vorzubereiten: