Von Education-Start-ups lernen

Hochschul-Bildungs-Report 2020
Jahresbericht 2019

  • Die wachsende Bedeutung von Weiterbildung erfordert ein Umdenken in den Hochschulen.
  • Education-Start-ups sind ein überraschend einflussreicher Faktor in der Weiterbildungslandschaft für Future Skills. Hochschulen können von deren Angebot und Geschäftsmodell viel lernen – vor allem Anwendungsorientierung und den Fokus auf die Vermittlung technologischer Future Skills.
  • Education-Start-ups verfolgen einen innovativen Erlösansatz, der Einstiegsbarrieren reduziert.

Education-Start-ups als wichtige Vermittler von Future Skills

Der enorme Weiterbildungsbedarf im Bereich Future Skills erfordert neue Arten der Vermittlung. Hier lohnt sich für Hochschulen ein Blick auf sogenannte Education-Start-ups.

Als Education-Start-ups gelten Unternehmen, die nicht älter als zehn Jahre sind und deren Geschäftsmodell auf innovativen, skalierbaren Bildungsangeboten basiert. Education-Start-ups nutzen häufig Plattformlösungen, über die neben eigenen Inhalten auch Inhalte Dritter angeboten werden. Präsenzveranstaltungen werden meist durch Online-Learning ersetzt; einige Education-Start-ups setzen allerdings auch bewusst ganz auf Präsenzformate. In Deutschland gibt es rund 50 Start-ups, die sich auf Bildung konzentrieren. Der vorliegende Beitrag legt den Schwerpunkt auf Education-Start-ups, die Weiterbildungen zu Future Skills anbieten und sich vor allem an die Zielgruppe 18 Jahre und älter wenden.

Wir betrachten 13 solcher Firmen näher, die jeweils mehr als 1.000 Nutzer haben, wobei einige der betrachteten Anbieter schon länger als zehn Jahre im Markt aktiv sind. Nicht berücksichtigt sind Education-Start-ups in anderen Bildungsbereichen – von der frühkindlichen Bildung über schulische und allgemeine Bildung bis hin zu Angeboten für Senioren. Ein Überblick über Education-Start-ups auf den verschiedenen Bildungsstufen findet sich bei der Venture-Capital-Datenbank CB Insights. Insgesamt sind dort 95 Unternehmen gelistet.

Der Einfluss von Education-Start-ups auf die Bildungslandschaft ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Gerade Firmen mit Future-Skills-Angebot erreichen bereits heute beeindruckende Teilnehmerzahlen von bis zu zehn Millionen registrierten Lernenden.

Education-Start-ups mit Schwerpunkt Future Skills lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Die einen sehen sich vorwiegend als Kuratoren und stellen bestehende Inhalte einem breiten Publikum zur Verfügung; dazu gehören beispielsweise Plattformen wie Coursera. Hier werden Onlineweiterbildungskurse von verschiedenen US-Universitäten angeboten. Andere Plattformen bieten überwiegend eigene Inhalte an. Dieses trifft zum Beispiel besonders auf Coding-Bootcamps wie General Assembly oder Thinkful aus Amerika zu, die intensive Immersionskurse in Programmiersprachen anbieten.

 

Die größten Education-Start-ups im Überblick

Pluralsight
USA
Umsatz: 167 Millionen US-Dollar (2017)
Mehr als 7.000 Online-Kurse in den Bereichen
Software Development, IT Operations,
Datenanalyse, Cyber Security

Coursera
USA
Umsatz: 140 Millionen US-Dollar (2018)
Bereitstellung von mehr als 2.000 Online-
Weiterbildungskursen von zahlreichen Hochschulen
(unter anderem MIT, Stanford University)

Udacity
USA
Umsatz: 70 Millionen US-Dollar (2017)
Online-Akademie mit Kursangebot in den
Bereichen Informatik, Physik, Mathematik,
BWL, Psychologie

Babbel
Deutschland
Umsatz: 67 Millionen US-Dollar (2017)
Online-Applikationen zum Sprachenlernen

Simplilearn
USA
Umsatz: 48 Millionen US-Dollar (2017)
Blended Learning in den Bereichen Cyber Security,
Cloud Computing, Projektmanagement,
Digital Marketing und Data Science

Udemy
USA
Umsatz: 28 Millionen US-Dollar (2017)
Plattform, auf der Lehrende und Lernende bei
über 100.000 Onlinekursen zusammentreffen.
Breites Themenspektrum von Programmierung
und IT über Design und persönliche Entwicklung
bis hin zu Marketing und Fotografie

Khan Academy
USA
Umsatz: 28 Millionen US-Dollar (2017)
Über 4.000 Lernvideos insbesondere in den
Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften,
Geschichte und Wirtschaft (nicht kommerziell)

Spexx
Deutschland
Umsatz: 18 Millionen US-Dollar (2017)
Sprachtraining

EdX
USA
Umsatz: 14 Millionen US-Dollar (2017)
MOOC-Plattform mit großem Themenspektrum
und vielen Partneruniversitäten, von MIT und
der Harvard University initiert

FutureLearn
Vereinigtes Königreich
Umsatz: 11 Millionen US-Dollar (2017)
MOOC-Plattform mit großem Themenspektrum
und vielen Partneruniversitäten

 
Pluralsight, Udacity und Simplilearn legen den 
Fokus auf technische Future Skills.

Coursera, Udemy, Khan Academy, EdX und 
FutureLearn haben ein Future-Skills-Angebot
als Teil eines größeren Angebots.

Technologische Future Skills als Schwerpunktthema
von Education-Start-ups

Bei der Analyse der Angebote von Education-Start-ups fällt auf: Technologische Future Skills sind in ihrem Programm besonders häufig vertreten. Acht der zehn umsatzstärksten Education-Start-ups weltweit bieten entsprechende Kurse an, drei der acht setzen ausschließlich auf technologische Fähigkeiten wie Deep Learning, Software Development oder Cyber Security. Besonders oft im Angebot sind die Themen Softwareentwicklung, komplexe Datenanalyse und nutzerzentriertes (UX) Design.

Der große Anteil von Bildungsangeboten mit dem Schwerpunkt technologischer Future Skills überrascht. Denn gerade bei diesem eher akademisch geprägten Weiterbildungsangebot sollten die Eintrittsbarrieren für neue Anbieter hoch sein: Sie müssen beispielsweise mögliche Vorbehalte der Nutzer gegenüber nicht etablierten Institutionen überwinden. Dass Education-Start-ups diese Hürden vergleichsweise problemlos überspringen, mag neben der Qualität ihres Angebots daran liegen, dass wissenschaftliche Institutionen den Bedarf nicht ausreichend abdecken können.

In Deutschland werden technologische Future Skills beispielsweise von den Education-Start-ups CareerFoundry (27.000 Absolventen) und Code University (230 Studierende) angeboten. CareerFoundry vermittelt online anwendungsrelevante technologische Fähigkeiten wie UX Design und Web Development – mit der Möglichkeit für Nutzer, zusätzlich von Experten gecoacht zu werden. Die Code University setzt auf Präsenzveranstaltungen auf ihrem Campus in Berlin unter Anwendung projektbasierter Lehr- und Lernszenarien.

 

Anwendungsorientierung als attraktives Wertversprechen

Während viele traditionelle Weiterbildungsanbieter – und zum Teil auch Hochschulen – vor allem auf formales Training und frontale Wissensvermittlung setzen, nutzen Education-Start-ups überwiegend anwendungsbasierte Lernformate: Die Lerninhalte sind projektbasiert, individualisiert – also auf einzelne Lernende oder Gruppen von Lernenden zugeschnitten – und an der Anwendungsrealität orientiert. Dieser Ansatz entspricht dem in der beruflichen Weiterbildung weithin verbreiteten 70–20–10-Modell. Es zeigt, dass nur 10 Prozent der Fähigkeiten über formales Training erworben werden. 20 Prozent ergeben sich aus dem Austausch mit Mentoren oder Vorgesetzten. 70 Prozent aller Fähigkeiten werden jedoch durch das Ausführen schwieriger oder ungewohnter Aufgaben erlernt, also beim Learning on the Job. Education-Start-ups bieten anwendungsbasierte Kurse, die mit längeren herausfordernden Projekten einhergehen. Bei Codeacademy, einem Onlineanbieter mit Spezialisierung auf Programmiersprachen, oder Ironhack, einem Programmier-Bootcamp, lernen Teilnehmer die neue Sprache anhand von kleinen, aufeinander aufbauenden Projekten. Hierdurch verfestigt sich das Wissen nicht nur – die Teilnehmer erfahren sofort, wie sie es anwenden können. Darüber hinaus fließen die Ergebnisse des Kurses in eine Art Fähigkeitenportfolio ein, das möglichen künftigen Arbeitgebern präsentiert werden kann.

Education-Start-ups, die Präsenzunterricht bevorzugen, folgen häufig der Idee des Flipped Classroom: Flipped Classroom ist ein didaktisches Konzept, das Lerninhalte vor der Präsenzveranstaltung in aufbereiteter Form – insbesondere als Video – zur Verfügung stellt und die gemeinsame Zeit im "Klassenraum" für Praxis und Anwendung nutzt. Dozenten agieren hier eher als Coaches, indem sie Teilnehmer bei der praktischen Bearbeitung von Aufgaben unterstützen.

Die Anwendungsorientierung von Education-Start-ups zeigt sich auch daran, dass ihre Angebote die individuellen Lernbedürfnisse der Nutzer berücksichtigen und Lerninhalte personalisiert sind: Je mehr die Inhalte den individuellen Lernbedürfnissen entsprechen, desto größer ist der Lernerfolg. Udacity beispielsweise entwickelt gemeinsam mit Partnern wie Google, at&t und BMW Kurse, die nach eigenen Angaben passgenau auf die Bedürfnisse und das Vorwissen der Beschäftigten zugeschnitten sind. Nach einer Bestandsaufnahme wird für jeden Teilnehmer ein persönlicher Lernpfad abgesteckt, der nach der Devise "developing fluency and mastery" sicherstellen soll, dass er die neu erworbenen Fähigkeiten vollständig beherrscht und jederzeit anwenden kann. Mentoren und eine Lerngemeinschaft helfen, Inhalte zu vertiefen und Fragen zu klären. Auch andere Anbieter, wie CareerFoundry oder edX, setzen auf Mentoren oder Teaching Assistants.

Nicht zuletzt tragen Education-Start-ups der zunehmenden Hektik der modernen Lebens- und Arbeitswelt Rechnung und orientieren sich bewusst an der Anwendungsrealität ihrer Nutzer. Untersuchungen zeigen, dass ein Arbeitnehmer unter der Woche im Durchschnitt maximal 24 Minuten Zeit hat, um sich vertieft mit neuen Inhalten zu beschäftigen. Doch steht diese Zeit in der Regel noch nicht einmal en bloc zur Verfügung. Die meisten Angebote der Education-Start-ups lassen sich daher über mobile Endgeräte jederzeit und überall abrufen – in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, während einer kurzen Kaffeepause oder am Arbeitsplatz selbst – und häppchenweise aufteilen. Die digitalen Formate erlauben es den Nutzern, sich flexibel weiterzubilden und ihre für die eigene Weiterentwicklung verfügbare Zeit zu maximieren. Damit unterscheiden sich Education-Start-ups deutlich von traditionellen Anbietern, von denen nur 27 Prozent überhaupt digitale Medien einsetzen.

 

Niedrige Einstiegsbarrieren durch alternative Erlösmodelle

Nicht nur bei der Vermittlung der Kursinhalte, auch bei den Erlösmodellen gehen Education-Start-ups neue Wege. Im Vergleich zu traditionellen Weiterbildungsanbietern legen Education-Start-ups mit Future-Skills-Angeboten besonderen Wert darauf, die monetäre Hemmschwelle zu Kursbeginn gering zu halten.

Vor allem Anbieter von MOOCs (Massive Open Online Course) wie edX und Coursera stellen große Teile ihres Programms zum Einstieg gratis zur Verfügung. Der gesamte Leistungsumfang dieser Kurse ist dann aber erst über Gebühren, zum Beispiel für Prüfung und Zertifizierung, zugänglich (Freemium-Modell). Andere Anbieter setzen auf ein komplett werbefinanziertes Angebot.

Insgesamt kommt aber am häufigsten immer noch das klassische Modell, die Vorauszahlung, zum Einsatz: Der Teilnehmer bezahlt einen oder mehrere Kurse im Voraus. Doch auch hier gibt es Innovationen. Anbieter wie MasterClass oder Coursera setzen auch auf Bündelungseffekte und vertreiben beispielsweise Abonnements: Der Nutzer bezahlt monatlich und kann unbegrenzt auf Lernmaterialien und -kurse zurückgreifen. Bei Coursera sind die Abonnements auf den Erwerb bestimmter Fähigkeiten (beispielsweise Business Skills) ausgerichtet und ermöglichen die unbegrenzte Nutzung inhaltlich zusammenhängender Kurse.

Einige Education-Start-ups mit ausgeprägter Anwendungsorientierung machen die Bezahlung vom tatsächlichen Kurserfolg abhängig. In Deutschland findet sich dieses Monetarisierungsmodell beispielsweise beim Berliner Start-up CareerFoundry. Es bietet eine "Geld-zurück-Garantie", falls der Teilnehmer in einem bestimmten Zeitraum nach Kursabschluss keinen Job in dem betreffenden Bereich findet.

Solche innovativen Monetarisierungsmodelle sind gerade für Unentschlossene und Weiterbildungsunerfahrene attraktiv – eine große Gruppe, die es in den kommenden Jahren für Weiterbildung zu begeistern gilt. Sowohl eine erfolgsbasierte Bezahlung als auch ein Werbe- oder Freemium-Modell senken die Hemmschwelle, sich für einen Kurs anzumelden. Das reduziert im Vergleich zur Vorauszahlung das Risiko, für einen Kurs zu bezahlen, den man vielleicht gar nicht abschließt oder dessen Inhalte man letztlich nicht nutzt. Zusammen mit den insgesamt günstigeren Stundenpreisen sind die Einstiegsbarrieren bei Education-Start-ups damit deutlich niedriger. Education-Start-ups tragen so auch zur Demokratisierung von Wissen bei.

 

Zwischenfazit und Empfehlungen

Der traditionelle deutsche Weiterbildungsmarkt deckt Future Skills derzeit nur unzureichend ab, obwohl diesen Fähigkeiten in den nächsten Jahren eine entscheidende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zukommen wird. Einige Education-Start-ups sind mit ihren Angeboten hier schon deutlich weiter. Sie bringen frischen Wind in den Markt – mit Auswirkungen sowohl für Hochschulen als auch die Politik. Den Hochschulen können Education-Start-ups in dreierlei Hinsicht als Inspiration dienen.

1. Universitäre Weiterbildung grundlegend neu denken
Die wachsende Bedeutung von Weiterbildung erfordert ein Umdenken in den Hochschulen. Weiterbildung sollte künftig im Rahmen der Lehrtätigkeit als vollwertiges Pendant zur wissenschaftlichen Grundausbildung verstanden werden. Ein möglicher Schritt zur stärkeren Verankerung der Weiterbildung in den Leistungsbereichen der Hochschule wäre es, das Thema zu einer strategischen Aufgabe für die Hochschulleitung zu machen. Beispielsweise könnte ein Präsidiumsmitglied explizit Verantwortung für den Handlungsschwerpunkt Weiterbildung übernehmen. Des Weiteren sind Anreizsysteme zu schaffen, die es Hochschullehrenden ermöglichen, sich im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung zu engagieren.

2. Future-Skills-Angebot im grundständigen Studium und bei der Weiterbildung ausbauen
Hochschulen verfügen über umfangreiche Expertise auf dem Gebiet der technologischen Fähigkeiten. Dieses Potenzial sollten sie nutzen und das Grund- und Weiterbildungsangebot für diese Future Skills erheblich ausweiten. Dieses ist auch, oder gerade, in der universitären Grundbildung möglich und sinnvoll. Eindrucksvolle Beispiele hierfür sind die Bildungsangebote der Hochschulen, die im Rahmen des Förderprogramms Data Literacy Education des Stifterverbandes gefördert werden. Diese vermitteln allen Studierenden ihrer grundständigen Studiengänge umfangreiche Digitalkompetenzen – unabhängig von deren Fachrichtung. Darüber hinaus sollten Hochschulen gleichermaßen fachübergreifende Future Skills, wie Kreativität und Problemlösungsfähigkeit, in Curricula integrieren. Ein erster Schritt wäre die Entwicklung eines entsprechenden Grund-und Weiterbildungsangebots, vergleichbar mit Soft-Skills-Kursen. Vorbilder bei den Education-Start-ups wären beispielsweise das Kursangebot von Coursera zu Kreativität (insgesamt 13 Onlinekurse) oder der Kurs Science, Technology und Society der Code University Berlin, der allen Absolventen die digitale Grundfertigkeit Digital Ethics vermittelt.

3. Innovative Ansätze bei Didaktik und Finanzierung nutzen
Didaktisch könnten Hochschulen vor allem von einer stärkeren Anwenderorientierung profitieren. Hierbei ließen sich verschiedene Methoden der Education-Start-ups kombinieren. So könnten Hochschulen Inhalte verstärkt digital vermitteln – über eigene Onlinekurse oder solche von externen Anbietern – und auf diese Weise gleichzeitig Ressourcen für die Umsetzung des Flipped-Classroom-Konzepts freisetzen. Dozenten sollten ihre Rolle in Richtung eines Coaches weiterentwickeln.

Für die Umsetzung dieser Vorschläge empfiehlt sich eine strategische Kooperation der Hochschulen mit Education-Start-ups. Diese können Erfahrungen zu Didaktik, digitalen Inhalten und Plattformen einbringen. Denkbar wäre zum Beispiel eine breite Zusammenarbeit mit Onlinekurs-Plattformen wie edX, Coursera oder auch oncampus für Deutschland – Hochschulen könnten auf diese Weise mehr Onlinekurse anbieten und zusätzlich gemeinsam mit diesen externen Anbietern sowie mit Partnerhochschulen passende Flipped-Classroom-Angebote entwickeln.

Die deutsche Hochschullandschaft hat bisher nur sehr zögerlich auf die sich verändernden Anforderungen im (Weiter-)Bildungsmarkt reagiert. Angesichts der großen Bedeutung von Future Skills für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft könnte der Staat daher Education-Start-ups bei verschiedenen Aspekten unterstützend zur Seite stehen:

  • Education-Start-ups bei der Auftragsvergabe berücksichtigen
    Bei der öffentlichen Beschaffung von Weiterbildung, insbesondere zu Future Skills, könnte der Staat Aufträge verstärkt an vielversprechende, innovative Education-Start-ups vergeben. Mit rund fünf Millionen Beschäftigten im öffentlichen Sektor und vielen weiteren Mitarbeitern in teilstaatlichen Einrichtungen ist der Staat der größte Arbeitgeber in Deutschland. Eine entsprechende Auftragsvergabe würde dem lebenslangen Lernen in Deutschland einen starken Modernisierungsimpuls geben.
     
  • Venturecapital in Education-Start-ups investieren
    ​Auch eine direkte finanzielle Förderung von Education-Start-ups als Reallabore innovativer Lehr- und Lernformate für lebenslanges Lernen wäre denkbar. Staatliche Venture-Fonds wie der VC Fonds der IBB Berlin unterstützen schon heute vielversprechende Start-ups. Angesichts der hohen Nachfrage nach Future Skills wäre eine verstärkte Konzentration solcher Fonds auf Education-Start-ups erwägenswert.

 

Drei Fallstudien

Coding-Bootcamp Ironhack
Ironhack ist ein Start-up, das in sogenannten Coding-Bootcamps oder Intensivkursen an elf Standorten weltweit Programmierfähigkeiten vermittelt. Der Themenschwerpunkt liegt auf Webentwicklung, nutzerzentriertem (UX) oder Nutzerobflächen-/UI-Design und Data Analytics – wichtige technologische Future Skills. Teilnehmer benötigen wenig Vorerfahrung. Nach der Devise des Start-ups "Learn by Creating" und "Outcomes First" haben in kurzer Zeit bereits mehr als 2.500 Absolventen diese Fähigkeiten erlernt und sich mit den für die Arbeitswelt relevanten Werkzeugen und Workflows vertraut gemacht. Nach Aussage von Ironhack finden Absolventen in weniger als drei Monaten eine neue Anstellung. Das Beispiel verdeutlicht, wie sich Education-Start-ups mit ihrer starken Anwendungsorientierung von traditionellen Hochschulangeboten absetzen.

Udacity
Udacity gilt weltweit als einer der führenden Vermittler technologischer Fähigkeiten. Allein 2018 verlieh die Firma rund 40.000 sogenannte Nanodegrees – Abschlusszertifikate für Online-Trainigsprogramme, die mindestens zwölf Wochen dauern. Udacity bezeichnet sich selbst als "Silicon Valley’s University", wobei Angebot und Monetarisierungsansatz vor allem auf Unternehmen ausgerichtet sind. Eingangstests erfassen mögliche Fähigkeitenlücken der Organisation insgesamt sowie der teilnehmenden Mitarbeiter. Ziel ist es, individuelle Lernpfade festzulegen. Mentoren und Lerngemeinschaften begleiten den Entwicklungsprozess. Nutzer lernen projektbasiert anhand von Herausforderungen aus der tatsächlichen Arbeitswelt und erstellen bis Kursende ein Portfolio an Arbeitsproben, das die erlernten Fähigkeiten belegt.

Everskill
Everskill ist eine App, die Teilnehmer eines Trainings dabei unterstützt, das Gelernte im All-tag regelmäßig anzuwenden – frei nach der Devise "Jeden Tag ein bisschen Weiterbildung". Nutzer können in der App beispielsweise individuelle Aktionspläne festlegen, ein digitales Lerntagebuch führen und auf Trainingsunterlagen zugreifen. Mit minimalem Zeitaufwand lässt sich so aus einem einmaligen Training langfristiger Nutzen ziehen. Das Angebot wird unter anderem von Siemens, SAP und Flixbus genutzt und gewann 2018 diverse Innovationspreise.

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 ist eine Initiative von