Die Sicht der Unternehmen

Wie schätzen Unternehmen die Arbeitswelt der Zukunft ein? Welche Kompetenzen werden Akademiker für diese Arbeitswelt benötigen? Welche Konsequenzen ziehen die Unternehmen daraus für die Hochschulbildung der Zukunft? Das waren die Leitfragen einer repräsentativen Umfrage, für die das Meinungsforschungsinstitut Innofact im Auftrag vom Stifterverband und von McKinsey & Company im November 2015 303 Unternehmen aller Branchen mit mehr als 20 Mitarbeitern befragt hat.

Neue akademische Tätigkeiten prägen die Arbeitswelt 4.0

Berufe, Produkte und Produktion werden wichtiger: Werte 4, 5 und 6 auf einer sechsstufigen Skala, 2015 (in Prozent)

Die Arbeitswelt der Zukunft ist nach Auffassung der befragten Vertreter der Unternehmen stark von Innovationen getrieben. 84 Prozent der Unternehmen geben an, dass Forschung in ihrem Unternehmen wichtiger werden wird. 58 Prozent stimmen (eher) zu, dass sie intensiver mit Hochschulen zusammenarbeiten werden. Die Hochschulabsolventen können sich darauf einstellen, dass bisherige administrative Tätigkeiten stärker automatisiert ablaufen und dass ganz neue Berufe entstehen. Nur eine Minderheit der Unternehmen geht allerdings davon aus, dass ganze akademische Berufe automatisiert und Akademiker durch Maschinen ersetzt werden. Nur 17 Prozent der Unternehmen stimmen dieser These (stark) zu, gerade einmal weitere 22 Prozent signalisieren eine schwache Zustimmung. Eine große Einigkeit herrscht unter Unternehmen hingegen in Hinsicht auf die Bedeutung der Teamarbeit: Fast neun von zehn Unternehmen sind davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit zwischen Teams in der Arbeitswelt der Zukunft wichtiger werden wird.

Schlüsselkompetenz: der Umgang mit digitalen Werkzeugen

Digitale Werkzeuge werden wichtiger: Werte 4, 5 und 6 auf einer sechsstufigen Skala, 2015 (in Prozent)

Der Umgang mit digitalen Werkzeugen wird zu einer Schlüsselkompetenz in der Arbeitswelt 4.0. Bei allen neun digitalen Werkzeugen, die in der Erhebung abgefragt wurden, äußerten jeweils mehr als 60 Prozent der Unternehmen, dass der Umgang mit ihnen in Zukunft (eher) wichtiger werde. Dabei lässt sich nicht erkennen, dass die deutschen Unternehmen in der Breite schon auf neue Anwendungen setzen würden: Klassische EDV-Anwendungen wie Word oder PowerPoint werden nach Einschätzung der Unternehmen ebenso wichtig sein wie neue digitale Kollaborationswerkzeuge oder mobile Anwendungen. Hochschulbildung und Arbeitswelt sind kommunizierende Röhren: Digitale Arbeitsformen können sich in der Arbeitswelt nur dann breitflächig durchsetzen, wenn die Arbeitnehmer entsprechende digitale Fähigkeiten besitzen.

Praxiserfahrung und Fremdsprachen werden wichtiger

Praxiserfahrung und Fremdsprachen gewinnen an Bedeutung: Werte 5 und 6 für (viel) wichtiger auf einer sechsstufigen Skala, 2015
Überfachliche Kompetenzen werden wichtiger: Werte 1, 2 und 3 für (eher) weniger wichtig, 4 für neutral und 5 und 6 für (viel) wichtiger auf einer sechsstufigen Skala, 2015 (in Prozent)

Für den Lebenslauf werden Praxiserfahrung, Fremdsprachen und digitale Fähigkeiten deutlich wichtiger. Rund zwei Drittel der Unternehmen geben an, dass diese Kompetenzen in der Arbeitswelt 4.0 (stark) an Bedeutung gewinnen werden. Damit unterstreichen die Unternehmen, dass für sie die drei Megatrends Digitalisierung, Internationalisierung und Verzahnung von beruflicher und akademischer Bildung bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter eine wesentliche Rolle spielen. Weniger relevant sind nach Ansicht der Unternehmen hingegen Nachweise einer besonderen Qualität des Studiums oder besonderer Leistungen. Einen größeren Raum sollten in der Hochschulbildung zukünftig auch die überfachlichen Kompetenzen einnehmen. 71 Prozent der Unternehmen halten sie in den Curricula von morgen für wichtiger. Die Hälfte der Unternehmen gibt darüber hinaus an, dass spezialisiertes Fachwissen deutlich an Bedeutung gewinnen wird.

Unternehmen sehen Veränderungsbedarf beim Studium

Unternehmen sehen sich vermehrt als akademische Lernorte: Werte 1, 2 und 3 für geringe bis signifikante Abnahme, 4 für neutral und 5 und 6 für (signifikante) Zunahme auf einer sechsstufigen Skala, 2015 (in Prozent)
Wie sich Studium und Lehre weiterentwicklen sollen: Werte 5 und 6 für (starke) Zustimmung auf einer sechsstufigen Skala, 2015 (in Prozent)

Bereitet die derzeitige Hochschulbildung die Studierenden ausreichend auf die neue Arbeitswelt vor? Und wenn nicht, welcher Veränderungsbedarf besteht? Die befragten Unternehmen antworten darauf eindeutig: Nur 7 Prozent geben an, dass Hochschulen Didaktik, Inhalte und Studienaufbau unverändert lassen können. Viele Unternehmen sehen Veränderungsbedarf in der Informatik (59 Prozent), den Ingenieurwissenschaften (55 Prozent) und den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (48 Prozent).

Den größten Veränderungsbedarf an den Hochschulen sehen Unternehmen bei dem Thema Didaktik und bei der Möglichkeit, an unterschiedlichen Lernorten zu studieren. 70 Prozent stimmen der Aussage (stark) zu, dass praktische und theoretische Lerninhalte stärker verknüpft werden müssen. 61 Prozent sind der Ansicht, dass Lernen an unterschiedlichen Lernorten stärker ermöglicht werden muss. Deutliche Zustimmung gibt es auch für ein individuelleres, interaktives und digital gestütztes Lehren und Lernen. Dabei gehen die Unternehmen nicht so weit, das Modell einer Online-Universität zu favorisieren: Sie sind weder in der Mehrheit für eine Verringerung von Präsenzveranstaltungen (43 Prozent), noch sprechen sie sich für den Ersatz klassischer Vorlesungen durch Onlineformate aus (28 Prozent).

Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 ist eine Initiative von