Akademische Weiterbildung für internationale Studierende

Die Zahl der Ausländer in Weiterbildungsstudiengängen in Deutschland steigt. Das birgt große Chancen, das Marktpotenzial für die akademische Weiterbildung deutlich zu erhöhen.

Akademische Weiterbildung ist für deutsche Hochschulen bisher ein schwieriges Terrain und häufig nicht gewinnbringend durchzuführen. Dies könnte sich im Hinblick auf die Zielgruppe der ausländischen Studierenden in den nächsten Jahren deutlich verändern. Die Gewinnung von ausländischen Studierenden für Weiterbildungsstudiengänge in Deutschland ist eine große Chance. Akademische Weiterbildung könnte ein relevanter Markt für deutsche Hochschulen werden, um größere Gewinne oder Umsätze zu erzielen.

Weltweit liegt Weiterbildung im Trend und rund 60 Prozent der Arbeitnehmer ziehen eine Weiterbildung in Betracht. 58 Prozent von ihnen wollen hierzu an die Hochschule gehen (Kelly Global Workforce Index 2013). Auch in Deutschland boomt das Thema: Mit rund 34.000 Studierenden befinden sich heute in Deutschland mehr als doppelt so viele Studierende in weiterbildenden Studiengängen als im Jahr 2008. Einer von zehn Masterstudiengängen in Deutschland ist weiterbildend, an Fachhochschulen sogar zwei von zehn.

Weiterbildende Studiengänge unterscheiden sich von konsekutiven Masterprogrammen darin, dass sie in der Regel mindestens ein Jahr Berufserfahrung voraussetzen. Im Gegensatz zu den konsekutiven Masterstudienangeboten sind sie kostenpflichtig. Die Angebote kommen als Vollzeit-, Teilzeit- oder Fernstudienprogramme auf den Markt, wobei die berufsbegleitenden Teilzeit- und Fernstudienprogramme in Deutschland eindeutig überwiegen.

Ausländer bilden sich in Deutschland weiter

Zunehmend zieht es auch Ausländer für ein Weiterbildungsstudium nach Deutschland. Seit 2008 ist der Anteil der ausländischen Studierenden an allen Studierenden im Weiterbildungsstudium von 15 auf 19 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen heißt dies: Während im Jahr 2008 gerade einmal 2.300 ausländische Studierende in Weiterbildungsstudiengänge in Deutschland eingeschrieben waren, sind es 2013 bereits über 6.300 Studierende. Dies entspricht einem jährlichen Wachstum von 22 Prozent.

Eine Modellrechnung zeigt das große Potenzial der akademischen Weiterbildung. Auf der Grundlage durchschnittlicher Preise für Weiterbildungsmaster je Fächergruppe lässt sich ein derzeitiges Marktpotenzial von 279 Millionen Euro jährlich errechnen. Vorausgesetzt, dass zum einen die Nachfrage von deutschen Studierenden unverändert bleibt und zum anderen der derzeitige Wachstumstrend bei ausländischen Studierenden etwas zurückgeht, wächst der Markt für Weiterbildungsmaster bei ausreichender Nachfrageorientierung des Angebots nach diesem modellhaften Szenario bis zum Jahr 2025 auf rund 540 Millionen Euro.

Diese Potenziale sind eine große Chance für deutsche Hochschulen. Sie stehen hierbei vor der Herausforderung, sich einerseits gegenüber privaten Anbietern Marktanteile in Deutschland zu sichern und sich andererseits gegen international profilierte Institutionen mit Angeboten akademischer Weiterbildung durchzusetzen. Derzeit wird das Angebot an weiterbildenden Masterstudiengängen von der Fächergruppe Wirtschaft und Recht dominiert. Rund die Hälfte der derzeit 913 weiterbildenden Masterstudiengänge ist in dieser Fächergruppe angesiedelt. Nur 18 Prozent sind ingenieurwissenschaftliche Studiengänge, alle anderen Fächergruppen kommen auf rund ein Drittel.

Deutscher Weiterbildungsmarkt in Rankings hinten

Ein Blick auf internationale Rankings zeigt allerdings, dass deutsche Hochschulen mit ihren betriebswirtschaftlichen Angeboten auf dem klassischen MBA-Weiterbildungsmarkt nur wenig punkten können: Die Zeitschrift „The Economist“ etwa führt aktuell kein einziges MBA-Programm aus Deutschland in den weltweiten Top Ten. Als beste deutsche Hochschule erreicht die Mannheim Business School Rang 38. Die Business School Rankings 2014 der Financial Times weisen weltweit in den Top 100 gerade einmal zwei deutsche Hochschulen aus: auf Platz 66 die Mannheim Business School und auf Platz 89 die ESMT European School of Management and Technology. Der MBA-Markt ist angloamerikanisch dominiert und die deutschen Hochschulen haben es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, wesentliche Anteile dieses Marktes zu erobern.

Die Analyse, welche Fächer ausländische Studierende in Deutschland wählen, zeigt dann auch ganz andere Stärken. Der mit Abstand größte Anteil an ausländischen Weiterbildungsstudierenden findet sich in den Ingenieurwissenschaften: Jeder dritte Studierende kommt aus dem Ausland. Im weiterbildenden Technikmaster konnten die deutschen Hochschulen auch die größten Zuwachsraten erzielen. Zwischen 2008 und 2013 wuchs die Anzahl ausländischer Studierender um jährlich ein Drittel. Potenzial besitzt auch die Medizin. Um ungenutzte Potenziale auf dem Weiterbildungsmarkt zu erschließen, müssen folgende drei Fragen gestellt werden: 1. Wo existiert noch ein Markt, den sich deutsche Hochschulen erschließen können? 2. Wer sind die richtigen Akteure, um diese Erschließung in Leuchtturmprojekten zu verwirklichen? 3. Wie kann diese Erschließung erfolgreich umgesetzt werden? Mögliche Antworten gibt eine Schrittfolge von drei Maßnahmen: Spezialisierung, Exzellenzfokus und Nachfrageorientierung.

Schritt 1: Positionierung über Spezialisierung

Vielen deutschen Programmen fehlt bisher eine überzeugende Spezialisierung, die besondere Qualitätsmerkmale herausstellt und somit Preisprämien rechtfertigt. Auch wenn bereits Ansätze zur Spezialisierung von weiterbildenden Studiengängen in Deutschland bestehen, gibt es noch Aufholbedarf: Während sich Großbritannien und die Vereinigten Staaten als Marktführer für MBA-Programme positioniert haben und damit beträchtliche Exportumsätze erzielen, fehlt Deutschland diese Profilschärfe. Und obwohl deutsche Unternehmen weltweit für Innovation im Ingenieurwesen stehen, wird diese Stärke bisher wenig offensiv genutzt. Deutsche Hochschulen sollten ihr Weiterbildungsprofil im Hinblick auf die Ingenieurwissenschaften stärken und, auch gemeinsam mit Unternehmen, praxisrelevante Curricula für weiterbildende Studiengänge entwerfen. Insbesondere Studieninhalte, die von Hochschulen und Unternehmen gemeinsam entwickelt werden, haben großes Potenzial auf dem Weltmarkt. Das Ziel sollte es sein, dem Spezialisierungsanspruch gerecht zu werden, mit der Spezialisierung aus der Masse des globalen Weiterbildungsmarktes herauszustechen und den bisherigen Anteil der Ingenieurwissenschaften von 18 Prozent unter den weiterbildenden Masterstudiengängen auszubauen. Dabei muss zur Erfüllung der Nachfrageorientierung auch die Flexibilisierung der inhaltlichen Ausgestaltung von Weiterbildungsangeboten mitgedacht werden, um dem Problem der mangelnden Stetigkeit der Nachfrage der Angebote, im Speziellen für Nischenfächer, zu begegnen.

Schritt 2: Positionierung über Exzellenz

Weiterbildende Masterabschlüsse werden von Arbeitnehmern belegt, um die eigenen Karrierechancen zu erhöhen. International mobile Studierende gehen deshalb insbesondere an Hochschulen mit Rang und Namen. Reputation und Top-Ranking-Ergebnisse von Hochschulen sind ausschlaggebende Kriterien, um zahlende Kunden für ein Weiterbildungsangebot zu gewinnen. Es verwundert daher nicht, dass der MBA-Markt von den angloamerikanischen Kaderschmieden beherrscht wird. Von Harvard über Stanford und Yale bis hin zu Cambridge und Oxford haben die besten Universitäten in den USA und in Großbritannien international agierende Business Schools etabliert, die sich unter den Top 25 in den globalen MBA-Rankings wiederfinden. In deren Gefolge konnten sich auch andere Hochschulen mit ihren Angeboten etablieren, zum Beispiel die University of Warwick. Anders in Deutschland: Unter den Top 100 ist keine einzige deutsche Universität mit Exzellenzstatus oder aus dem TU9-Verbund. In Deutschland profilieren sich eher kleine oder – im Falle des MBA – private Hochschulen mit Weiterbildungsmasterstudiengängen. Deutschland braucht deshalb für eine Profilbildung im Bereich der akademischen Weiterbildung ebenfalls als Vorreiter aus der Reihe seine exzellenten Universitäten.

Um Deutschland als ersten Weiterbildungsanbieter in den Ingenieurwissenschaften zu profilieren, sollten auch große technische Universitäten, von denen sich einige im TU9-Verbund zusammengeschlossen haben, Weiterbildungsportfolios entwickeln und auf dem internationalen Markt platzieren.

Schritt 3: Positionierung über Nachfrageorientierung

Um das Interesse ausländischer Studierender zu wecken und das volle Potenzial dieses Interesses für deutsche Weiterbildungsstudiengänge auszuschöpfen, muss sich die Studienganggestaltung an deutschen Hochschulen noch stärker an den spezifischen Bedürfnissen und der konkreten Nachfrage von Studierenden orientieren. Dabei spielen Sprache und flexible Studienformen entscheidende Rollen. Nur 30 Prozent der MBA-Programme in Deutschland werden bisher in englischer Sprache unterrichtet (Personalwirtschaft, MBA- und Master-Guide 2015), dieser Anteil sollte noch gesteigert werden. Zusätzlich besteht gerade im Weiterbildungsbereich zur Ansprache einer größeren Zielgruppe erhöhter Bedarf an flexiblen Studienformen, die ein berufsbegleitendes Studium ermöglichen. 17 Prozent der weiterbildenden Studiengänge sind im Fernstudium möglich, über 30 Prozent als Teilzeitprogramm. Jedoch werden hierbei Ansätze, die gezielt auf die Bedürfnisse von ausländischen Studierenden (die während ihres Studiums im Ausland berufstätig sind) zugeschnitten sind, wie zum Beispiel Präsenzzeiten in Blockveranstaltungen, Online-Learning und blended learning (Verknüpfung von traditioneller Präsenzlehre und modernen Formen von E-Learning), noch nicht flächendeckend zur Anwendung gebracht.

Empfehlungen

Um Weiterbildung an deutschen Hochschulen international sichtbar, attraktiv und konkurrenzfähig zu gestalten, müssen

  1. Hochschulen durch klare Profilbildung und Spezialisierung über Alleinstellungsmerkmale insbesondere in den Ingenieurwissenschaften punkten,
  2. Exzellenzuniversitäten und große technische Universitäten als Vorreiter den Aufbau einer internationalen Marke Deutschlands im Masterbereich vorantreiben und
  3. Hochschulen ein bezüglich Sprache und Studienform nachfrageorientiertes Weiterbildungsangebot schaffen.

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